Damit das Denkmal nicht vergessen wird, sammelt ein Verein Erinnerungen. Die sollen am Sonntag geteilt werden.
Die 90 Jahre haben deutliche Spuren bei der „Alten Dame“ hinterlassen. Risse sind ihre Falten, zersprungene Fenster die Altersflecken.
Zum runden Geburtstag im kommenden Jahr soll das geschundene Sachsenbad nun ein besonderes Geschenk bekommen. Die Sachsenbad-
Initiative des Vereins Pro Pieschen bereitet eine Ausstellung zu dem Denkmal an der Ecke Wurzener/Rehefelder Straße vor. Denn die
Mitglider haben eine böse Befürchtung. „Die Erinnerung geht verloren“, sagt Dorothea Becker. „Um das zu verhindern, haben wir uns die Hilfe von Zeitzeugen erhofft.“ Die sind teilweise bereits verstorben oder so alt, dass sie wohl nicht mehr lange leben. Ihre Anekdoten und Erinnerungen will die Initiative aber für die Nachwelt festhalten und in der geplanten Ausstellung zeigen. Von der Resonanz waren die Mitglieder aber selber überrascht. Nach einem Aufruf meldeten sich bereits zahlreiche Zeitzeugen per Post, sie wohnen teils gar nicht mehr in Dresden. Bei einem Treffen kamen dann noch einmal rund 30 Leute, die von ihren Erinnerungen erzählten.
Die Ausstellung soll auch helfen, zu verstehen, dass das Sachsenbad
nicht nur ein Stadtteil-Thema ist. Das sei in der Politik noch nicht angekommen, sagt Stadträtin und Initiativ-Mitglied Kati Bischoffberger (Grüne). Dennoch hat sich in jüngster Vergangenheit einiges getan. So soll das Sachsenbad noch in diesem Oktober bei einer Immobilienmesse in München ausgeschrieben werden. So sucht die Stadt nach einem Investor, der das Denkmal saniert und möglichst als Gesundheitsbad wieder eröffnet. „Wir hoffen, dass sich niemand bewirbt und die Stadt selber aktiv wird“, sagt Becker. Das scheiterte bisher an den hohen Kosten von rund 20 Millionen Euro.
Beim Tag des Offenen Denkmals will die Initiative an diesem Sonntag bereits die ersten sechs Geschichten präsentieren. Zwischen 11 und 14 Uhr sind weitere Zeitzeugen willkommen, die ihre Erinnerungen teilen wollen. Wir geben mit vier Geschichten bereits einen Vorgeschmack auf das besondere Geburtstagsgeschenk.
1. Vom Sachsenbad zu den Olympischen Spielen
Was wurde gejubelt und gefeiert, als Ingrid Krämer von den Olympischen Sommerspielen 1960 aus Rom zurückkam. Zurück ins Sachsenbad. Zurück in die Stätte, in der die zweifache Goldmedaillen-Gewinnerin den Grundstein für ihren Erfolg legte. Zwei Synchronschwimmerinnen der Dresdner Goldfische erinnern sich noch genau an Krämer. Sie haben regelmäßig mit der Wasserspringerin trainiert und wissen, wie groß der Andrang bei deren Rückkehr war. Die 530 Sitz- und 350 Stehplätze waren restlos belegt. Vor dem Sachsenbad mussten noch etliche Personen abgewiesen werden, die der Gold-Feier gerne ebenfalls beigewohnt hätten.
2. Zur ewigen Liebe gekrault
Bei der Vorbereitung für eine Schwimmprüfung hat Gerlinde H. viel mehr gefunden als die richtige Kraul-Technik. Plötzlich standen da am Ende der Bahn diese jungen Rettungsschwimmer. Sie waren hilfsbereit, erklärten Hantusch, wie sie am schnellsten durch das Wasser gleitet. Doch in Gedanken war die längst nicht mehr nur beim Schwimmen. Schließlich hatte es ihr einer der jungen Männer besonders angetan. Sogar so sehr, dass sie ihn später heiratete. Und noch bis heute sind die beiden miteinander glücklich. Wenn sie ihre Ringe betrachten, denken sie also nicht nur an die glücklichen gemeinsamen Jahre, sondern auch ans Sachsenbad.
3. Den Ort des Unglücks immer vor Augen
Dass mit dem Sachsenbad nicht nur freudige Erinnerungen verbunden werden, beweist die Geschichte von Mandy F. Besucht hat sie das Schwimmbad nie. Dafür ist die Jugendliche auch zu jung. Doch sie besuchte die 56. Oberschule. Wie Emma G., die 2011 im Sachsenbad tödlich verunglückte. Sie war verbotenerweise in die Ruine eingedrungen und kletterte dort. Mandy weiß noch genau, wie in der Schule eine Schweigeminute für die verstorbene Mitschülerin abgehalten wurde, wie betroffen alle waren und wie sie Jahr für Jahr das Sportfest auf der Anlage neben dem Sachsenbad abhielten – den Ort des Unglücks immer vor
Augen.
4. An Papas Hand zur Eröffnung
Geschichten aus dem Sachsenbad können viele Dresdner erzählen. Doch es gibt wohl nur wenige, die am Tag der Eröffnung dabei waren. Schließlich liegt dieser nun fast 90 Jahre zurück. Doch Werner Fritzsche weiß noch genau, wie er als damals als Vierjähriger an der Hand seines Vaters vor dem imposanten Bau stand. Seitdem ließ den heute 94-Jährigen die Liebe zum Gesundheitsbad nicht mehr los. Bis es 1994 geschlossen wurde, besuchte Fritzsche das Bad regelmäßig. Das hat ihm viel gebracht: Schon mehrfach wurde Fritzsche Deutscher Meister. Auch heute nimmt er noch an Wettbewerben teil und sahnt Preise in seiner Altersklasse ab.
{Anmerkung BI: um die Privatsphäre der Zeitzeugen zu wahren, haben wir die Nachnamen der nicht in der Öffentlichkeit stehenden Personen abgekürzt.}
Hier gibt es den Artikel vom 03.09.18 aus der SZ zum Nachlesen:
180903_SZ Damals im Sachsenbad
Wir sind froh, dass die Verwaltung noch einmal eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gab und unterschiedliche Konzepte prüfte. Letztlich wurde das Konzept Gesundheitsbad, an dem wir mitarbeiteten, vom Stadtrat als das tragbarste gewählt. Wir möchten, dass die Stadt es selber in die Hand nimmt das Bad zu sanieren. So ist sicher zu gewährleistet, dass es ein öffentliches Bad bleibt und die Eintrittspreise niedrig sind. Bäder brauchen Zuschüsse, wenn die auch beim Sachsenbad relativ niedrig sein sollten. Vielleicht kann sogar eine schwarze Null erreicht werden, wie es die STESAD in ihrem Konzept von 2010 prognostizierte.
Wie will ein privater Investor den Betrieb ohne Zuschüsse stemmen? Über Preise für Eintritt und Miete? Wir sehen uns dem Entstehungsgedanken des Bades, das 1929 eröffnete, verpflichtet: in wirtschaftlich schweren Zeiten baute die Stadt ein Bad in einem armen Stadtteil um die prekären Lebensverhältnisse zu verbessern. Heute ist der Bedarf nicht weniger brisant. Vielleicht findet sich ja so ein Investor, wie im Kommentar 1 vermutet. Wir würden uns freuen.
Es ist dankens- und lobenswert, dass sich der Verein Pro Pieschen um die Bewah-
rung des traditionsreichen Erbes des Sachsenbades in Dresden-Pieschen bemüht. Ob
allerdings eine destruktive Aussage, wie von Frau Becker: „Wir hoffen, dass sich nie-
mand bewirbt und die Stadt selber aktiv wird“, eine zukünftige Sanierung und einen
Umbau des Bades befördert, darf bezweifelt werden. Nicht jede private Initiative,
nicht jeder private Investor sind per se vorrangig bzw. ausschließlich an der Steige-
rung ihres wirtschaftlichen und finanziellen Mehrwerts interessiert. Es soll auch Un-
ternehmen geben, die ihre wirtschaftlichen Ambitionen mit einem gesellschaftlichen
und sozialen Blick auf lokale Traditionen und mit einem Engagement für innovative
Zukunftsentwürfe im Stadtteil verbinden. Wer hier von vornherein bestimmte Inves-
toren (z.B. private) ausschließt oder diskreditiert, zeigt nicht unbedingt, dass er an
einer Sanierung des Sachsenbades wirklich und ernsthaft interessiert ist.